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Thüringen's Wahl: Wozu sie uns jetzt aufruft

Es ist einer dieser Tage, der einem die eigene gesellschaftliche und politische Verantwortung ins Bewusstsein ruft. Wenn mit Hilfe der AFD in Thüringen ein Ministerpräsident gewählt wird, dessen Partei gerade mal 5 Sitze im Landtag hat und er diese Wahl annimmt, fragt man sich ungläubig, was das mit Wählerwillen, Anstand und Realitätssinn zu tun hat.

Schlimm, wenn es offensichtlich ausschließlich darum geht, gegen "die Anderen" (damit sind die Linken gemeint) zu gewinnen. "Ramelow, der Kommunist ist weg", so die Aussage vom Focus-Gründer Helmut Markwort (FDP). Es scheint, als stünde vor allem im Mittelpunkt, wer wie einzustufen ist und damit in welches Lager gehört: rechts, links, Mitte. Sich darüber hinaus inhaltlich mit den Ergebnissen der Thüringer Regierung der letzten Jahre zu befassen, kommt geradezu marginal daher. Wir Menschen waren und sind schon immer schnell dabei gewesen, Zuschreibungen und Bewertungen für die Geschehnisse um uns herum zu finden. Bewertungen nützen unserem Gehirn ungemein, sind sie doch energiesparend und effizient. Kategorisierungen wie "extrem", "linksextrem", "rechtsextrem" oder "Kommunist" schaden jedoch dem menschlichen Vertrauen ineinander und behindern eine offene, tolerante und konstruktive Kommunikation. Da hilft es nicht, wenn Herr Kemmerich verlangt, bei den Fakten zu bleiben. Diese sprechen vielmehr eine deutliche Sprache, die nicht schönzureden ist: die AFD gibt ihrem eigenen angetretenen Kandidaten keine einzige Stimme und positioniert sich voll und ganz hinter dem FDP-Mann Kemmerich. Und weil zählen fast jeder kann, war ihr dadurch klar, dass sie damit die Wiederwahl Ramelows verhindert - zusammen mit den Stimmen der CDU. Das sind die Fakten. Nun will er als Ministerpräsident einer Partei regieren, welche gerade mal die 5%-Hürde knackte und bei zukünftigen Entscheidungen auf Björn (oder Bernd...) Höcke's rechtsextremen Flügel angewiesen ist. Ich bin sehr für Begegnung, Gespräch und gegenseitiges Aufeinanderzugehen. Lediglich anti zu sein, beschwört nur das herauf, was man beständig ablehnt. Ich bin jedoch gleichsam dafür, klar Haltung zu zeigen und darauf aufmerksam zu machen, wenn menschenverachtendes Gedankengut Einzug in unsere politische und alltägliche Realität hält. Björn Höcke und viele seiner Anhänger stehen für Ausgrenzung, Spaltung und ein herabwürdigendes Denken, was uns einst Vernichtung von Millionen von Menschen eingebracht hat. An dieser Stelle und mit diesen politischen Bewegungen wird umso deutlicher, wohin wir uns gesellschaftlich bewegen müssen (und werden). Hin zu mehr Inklusion, was Teilhabe, Partizipation und Gleichberechtigung anbelangt. Hin zu einem umfassenderen, weitsichtigeren Denken, welches nicht aus- sondern einschließt. Hin zu mehr Mitgefühl, Barmherzigkeit und Verständnis. Allesamt Qualitäten, die uns allen nicht in die Wiege gelegt, sondern mühsam gelernt und kultiviert werden müssen. In Kindergarten, Schule, Elternhaus, Peer groups, Universitäten, Büros und eben auch Parlamenten. Es ist eine evolutionäre Errungenschaft, die uns Jahrtausende gekostet hat, Freiheit, Gleichheit und Solidarität als Menschenrechte und Bausteine unserer Würde zu verankern. Noch heute merken wir: solches Denken kommt nicht automatisch in den Kopf. Viele, bei Bernd Höcke angefangen und Donald Trump aufgehört, stehen mit ihrem Denken da, wo sich unsere Gesellschaft bereits vor mehreren hundert Jahren befand. Ein Lernen aus der Geschichte ist mit diesem Wissen der Entwicklungspsychologie so nicht einfach möglich. Kollektiv können wir unsere Lehren aus dem II. Weltkrieg ziehen. Individuell bleibt es ein Weg mit ungewissem Ausgang.

Auch wenn ich nicht unmittelbar politische Arbeit verrichte, appelliere ich daher heute an alle jene unter uns, die Personal- und Organisationsentwicklung betreiben: es gilt, diese Arbeit ernst zu nehmen! Die Entfaltung von Potential geht direkt mit der Entwicklung von Qualitäten wie Empathie, Güte und Weisheit einher. Sie trainiert darüber hinaus das Selberdenken, die eigene Integrität sowie Authentizität. Sie verweist auf ein Ziel, welches tatsächlich alternativlos ist: umfassende Liebe statt grenzenloser Hass. Die Überwindung des Egos zugunsten des Höchsten, zu was der Mensch fähig ist: Selbsthingabe.


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