Wenn uns Körper & Geist plagen: Annahme als Schlüssel zur inneren Ruhe
Manchmal hänge ich in Schleifen. Ziehe meine Bahnen in wiederkehrenden Strudeln von Gefühlen und Gedanken. Sie touren unermüdlich durch mich hindurch, legen sich wie ein grober, steifer Mantel um den gegenwärtigen Augenblick. Eine solche Epsiode begegnete mir vor Kurzem in der Meditation. Unablässig nervendes Zeugs und ich fleißig dabei, mit meiner inneren Beobachterin ausreichend Distanz aufzubauen. Ziemlich erfolglos, die Quälereien ließen nicht nach. Irgendwann kam der rettende Funke: ich packte die Beobachterin wieder ein und wandte mich meinem inneren Karussell zu. Nahm bewusst wahr, welche Gefühle sich in mir versammelten und spürte, wo sie im Körper wohnten. Die Unruhe im Herz, die Angst im Hals. Der entscheidende Impuls bestand darin, JA zu sagen. JA zu ihrer Existenz. JA dazu, dass sie ihre Kreise in mir schoben. Einfach "JA, es ist in Ordnung, dass ihr da seid". JA, es ist ok, wie ich mich gerade fühle. Die Erlösung. Endlich trat Ruhe ein. Ein Segen. Ein Stein fiel von mir ab und ich spürte, wie etwas ins Fließen kam, was vorher hartnäckig fest gewesen war.
Das tiefe JA zu unserem Sein, zu dem, was ist, beweist sich ein ums andere Mal als heilender Schritt, wenn der Prozess ins Stocken geraten ist. Das geschieht immer dann, wenn wir uns in Situationen wiederfinden, die wir als unangenehm erleben und so schnell wie möglich hinter uns lassen wollen.
Kürzlich berichtete eine Klientin von Nackenschmerzen, die immer dann stärker werden, sobald sie traurig wird. Statt Tränen klemmt es ihr im Hals. Diesen Moment bewusst wahrzunehmen und nicht zu übergehen, indem wir danach suchen, was es ihr erleichtern könnte zu weinen, birgt ein kleines Heiligtum: nehmen wir die Traurigkeit so an, wie sich aktuell zeigt und sagen ihr innerlich: "Es ist ok, dass du da bist.", öffnen wir uns für eine tiefe Akzeptanz der Intelligenz des Lebens. Ihr Nackenschmerz ist nicht ohne Grund da. Die Tränen stocken nicht sinnlos. Es liegt ein erlernter, kluger Schachzug unseres Systems in unseren Reaktionen. Womöglich waren Tränen während der Sozialisation ungern gesehen. Hier adaptiert sich unser Organismus, indem er neue Wege findet, mit der Trauerenergie umzugehen. Bspw. indem er dafür sorgt, dass sie unterdrückt wird statt sie frei herauszulassen. Eine Anpassungsleistung, die in dem Moment, wo sie entwickelt wurde, dazu führte, dass wir zugehörig blieben statt der Gefahr ausgesetzt zu werden, aus Familie oder Freundeskreis verstoßen zu werden.
Diese unglaublichen Adaptionen unseres Systems sind immer wieder beeindruckend und lassen uns körperliche Symptome, kreisende Gedanken oder nagende Gefühle in neuem Licht sehen.
In Folge von Entwicklungstraumata haben sich Überlebensstrategien herausgebildet, die ihre ganz eigene Geschichte erzählen. Unsere Aufgabe als Begleitende ist es, sie hören zu wollen. Ihnen ein Ja zu schenken, indem wir mitfühlend annehmen, was uns entgegen kommt. Damit nicht genug: auch als Gesellschaft müssen wir diese Aufgabe für uns formulieren und uns gegenseitig mit Achtsamkeit und Offenheit für das begegnen, was wir an Schmerz & Leidvollem in uns tragen. Davon findet sich genug in der kollektiven Psyche, die in selber Weise ihre Kompensationsmechanismen herausgebildet hat, um weiter zu funktionieren. Viel zu oft erfahren diese Anpassungswege Verurteilungen oder Ignoranz. Wie schnell sind wir beim Beraten, wenn uns jemand sein Leid klagt? Oder bei unserer eigenen Geschichte? Das Bejahen dessen, was ist, ist der Schlüssel zu wirklicher Heilung. Denn:
Alles, was wir in uns tragen, birgt Bedeutung in sich.
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