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Ganzheitliche Organisationsentwicklung - worauf Führungskräfte achten sollten

Führungskräfte stehen heute vor einer schier unübersichtlichen Zahl an Ansätzen, Theorien und Modellen für die Steuerung und Weiterentwicklung ihrer Organisation. Ob agile Teams, Theorie U, das 8–Stufenmodell von John P. Kotter, Lernende Organisation (P. Senge) oder das Konzept der Reinventing Organisation von F. Laloux, welches anerkannte Verbreitung gefunden hat - allesamt liefern sie spannende Ideen, wie Unternehmen sich erfolgreich auf Morgen einstellen können. Was bei all den Möglichkeiten oft zu wenig Beachtung findet, ist der ganzheitliche Blick auf die Organisation und ihrer Erfordernisse.

Ganzheitlich bedeutet, als Führungskraft sowohl die sichtbaren und damit objektiven als auch die unsichtbaren, subjektiven Bereiche des Unternehmens anzuschauen, wenn es gelungen weiterentwickelt werden will. Was sind die objektiven und die subjektiven Bereiche einer Organisation?  Die Grafik entstammt aus der Integralen Theorie (K. Wilber) und zeigt die vier komplementären Bereiche von Organisationen:


Die vier Bereiche sind die vier Quadranten eines jeden Systems, egal ob Unternehmen, Staat oder Familie.

So wie jedes System ein Außen hat, besitzt es gleichsam ein Innen. Zusätzlich gibt es in jedem System den Einzelnen, wie den Mitarbeiter oder das Familienmitglied sowie das Kollektiv, also die Gesamtheit aller Angestellten plus Leitungskräfte bzw. die gesamte Familie. 


Das Außen des Einzelnen wie des Gesamten ist dadurch gekennzeichnet, dass es messbar, beobachtbar und dadurch objektiv ist. Ich kann mit bloßem Auge erkennen, wie eine Organisation aufgebaut ist, wenn ich mir bspw. ihr Organigramm anschaue. Anhand der Job descriptions wird sichtbar, welche Aufgaben die einzelnen Mitarbeiter haben. Geschäftsberichte zeigen mir die Zahlen, Daten und Fakten der Firma. Beobachtungen des Arbeitsplatzes lassen Rückschlüsse auf die vorhandenen Fähigkeiten zu.

Das Innere des Einzelnen als auch das Innere einer Organisation lassen sich im Gegensatz nicht so einfach beobachten. Ich kriege erst dann mit, wie gut sich ein Team versteht, wenn ich mit den Einzelnen ins Gespräch darüber komme und sie mir ihre Sichtweisen mitteilen. Wie sehr sich jemand mit seiner Arbeit identifiziert, kann ich höchstens interpretieren und muss es im besten Fall erfragen. Das Innere braucht somit - anders als das Äußere, Objektive des Unternehmens - Gespräch, Befragung und Dialog. 


Hier die vier Quadranten und einige ihrer Merkmale im Detail:


Unten Rechts:

  • Jede Organisation verfügt über einen strukturellen Aufbau sowie Ablauf. D.h. wie sind wir (hierarchisch) organisiert? 

  • Wer trifft bei uns welche Entscheidungen? 

  • Welche Prozesse sind beschrieben und wie klar sind sie?

  • Welche Gesetze und Richtlinien legen unser Handeln fest? 

  • Über welches Kapital verfügen wir? 

  • Welche Produkte und Dienstleistungen bieten wir an? 

  • Mit wem arbeiten wir zusammen (Lieferanten, Dienstleister etc.)?

  • Wo sind wir tätig und welche Infrastruktur (IT) unterstützt uns bei unserer Arbeit? 

Oben Rechts:

  • Über welche Kompetenzen und Fähigkeiten verfügen unsere Mitarbeiter? 

  • Welche Aufgaben haben jeder von ihnen?

  • Welche Ziele sind mit ihnen vereinbart worden? 

  • Wie schaffen sie ihre Arbeit und wie verhalten sie sich im konkreten Fall, bspw. bei Verhandlungen, Konflikten etc.? 

Oben Links:

  • Welche Einstellung hat der Einzelne bei uns - zur Arbeit, zum Team? 

  • Welches persönliche Ziel verfolgt sie/er? 

  • Wie fühlt sich der einzelne Mitarbeiter? 

  • Welche Bedürfnisse und Werte motivieren ihr/sein Verhalten? 

  • Welche Erfahrungen hat er/sie im Gepäck? 

  • Wie ist sie oder er durch das Leben geprägt und schaut folglich auf die Welt?

Oben Rechts:

  • Wie ist unsere Kommunikationskultur: reden wir miteinander oder übereinander?

  • Wie lösen wir Konflikte? (Hä, welche Konflikte..?)

  • Welche gemeinsamen Werte teilen alle? 

  • Welche Vision? 

  • Wie ist der Teamgeist? 

  • Was sind unsere Teambedürfnisse?

Zurück zur Organisationsentwicklung: ich beobachte häufiger, dass Veränderungen nur in einem Bereich geplant werden, während die anderen Bereiche hinten runterfallen. Veränderungsvorhaben wie bspw. die Überführung der Organisation in agile Teams kümmern sich oft vor allem um den Aufbau neuer Strukturen.

In einem mir bekannten Beispiel wurde von heute auf morgen die gesamte Hierarchie eingestampft. Alle Leitungskräfte verloren ihre bisherigen Titel und Verantwortlichkeiten und erhielten nach dem Holokratie-Prinzip spezifische Rollen. Der Aufruhr war entsprechend groß, Ängste und Widerstände machten sich in der Belegschaft breit. 


Nun ist nicht jedes Vorhaben derart drastisch geplant. Dennoch macht es auf überspitzte Art deutlich: die beiden inneren, subjektiven Quadranten (Mitarbeitereinstellungen sowie Organisationskultur) fielen hinten runter, während sich vor allem Gedanken gemacht wurde, wie neue Strukturen, Rollen und Kompetenzen etabliert werden.

Dabei zeigt die Grafik deutlich: alle vier Bereiche einer Organisation sind gleich wichtig. Und: sie wirken alle aufeinander ein. Verändere ich den Teamgeist hin zu einem kollaborativen Miteinander brauche ich entsprechend neue Strukturen und Abläufe, neue Kompetenzen wie transparente Kommunikation und Konfliktlösung und neue Einstellungen der Mitarbeiter. Gegebenenfalls merkt ein Teil der Belegschaft, dass er sich schwer tut mit dem Prinzip von mehr Selbstverantwortung des Einzelnen und entscheidet sich daher, das Unternehmen zu wechseln. 

Ein zweites Beispiel: führe ich eine neue Softwarelösung ein, erfordert dies sowohl neue Mitarbeiterfähigkeiten, ggf. neu zugeteilte Verantwortlichkeiten und dem Vorhaben zugewandte Haltungen der Einzelnen. Diese fange ich nicht in einem Tool-Training ein. Hierfür braucht es gesonderte Maßnahmen wie  bspw. ein Kick-off zu der Intention der Einführung mit der gesamten Belegschaft. Eventuell verändert sich die Systemlandschaft derart, dass wir darüber sprechen müssen, wie sich dies auf unsere Kommunikation und unsere Vision auswirkt. Welche neuen Prozesse sind nötig, um die IT erfolgreich zu implementieren?


Fazit: werden bei Vorhaben der Organisationsentwicklung (OE) nur ein oder zwei Bereiche berücksichtigt, führt das Vergessen der anderen Bereiche oft zu Störungen und Widerständen. Beides verbraucht unnötige Energie und damit Zeit, Geld und Motivation.

Ganzheitliche OE nimmt daher alle vier Quadranten ausführlich in den Blick und plant Maßnahmen, die sowohl die Haltungen, das Verhalten, die Kultur als auch die Struktur berücksichtigen.

Die vier Quadranten liefern damit Führungskräften, UnternehmerInnen und allen, die Organisationsentwicklung betreiben, ein wesentliches wie fundiertes Handwerkszeug für eine integrale, ganzheitliche Entwicklung und Führung.


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