Krise als Chance - wie Corona uns alle transformieren wird
Corona wird uns alle verändern und hat es bereits. Die Erinnerung an diese Zeit bleibt uns individuell und kollektiv in unser Nervensystem eingeschrieben. Wir erleben einen Sturm der Solidarität, gegenseitigen Ermutigung und gemeinschaftlicher Appelle.
Wir greifen zum Hörer, nehmen Kontakt mit unseren Liebsten auf, vernetzen uns, schicken uns Informationen rund um Hilfen, Tipps und Unterstützung und spüren plötzlich, worauf es wirklich ankommt: dass wir als Menschheit zusammenhalten.
Jede Krise stellt eine Gelegenheit zum Innehalten und Umdenken dar. Sie stellt uns vor eine Wahl: weitermachen wie bisher oder gehe ich zukünftig einen neuen Weg?
Die Krise in Corona-Zeiten bringt just diese Dynamik mit sich: wir werden (zwangs-)verlangsamt und dazu angehalten, danach zu fragen, was wir ändern wollen, ja müssen. Uns zu fragen, ob wir wirklich so weitermachen wollen wie bisher. Raubtierkapitalismus, Ausbeutung natürlicher Ressourcen, ein Höher, Schneller, Weiter, Ungleichheit, Rassismus und Populismus, Verschmutzung von Himmel und Erde, Lebensmittelverschwendung, steigende Armut und grenzenloser Konsum - wie lange halten wir das noch für den richtigen Kurs?
Wir wissen es längst: der Zug muss aufgehalten werden, bevor er den Abgrund hinabstürzt. Seine Passagiere sind wir.
Wir sollen nicht einfach nur immun werden. Wir sollen vor allem auch klüger werden. Herzensklug um genau zu sein.
Herzensklugheit vereint zukunftsweisende menschliche Wesenszüge wie Fähigkeiten. Wir werden jetzt dazu befähigt, unser Bewusstsein zu verändern und auszudehnen. Dies stellt den Schlüssel dar für eine Welt, die verantwortlicher, mitfühlender, beweglicher, achtsamer, mutiger und entschlossener ist. Es geht nur miteinander. Es geht nur füreinander. Es geht nur tatkräftig. Leere Worthülsen greifen nicht mehr. Keiltreibende Parolen ebenfalls.
Wir haben jetzt die einmalige Chance, der Krise ihr immenses Potential abzutrotzen. Neben aller Tragik und Verlust erstrahlen Möglichkeiten am Firmament, die bisher erst langsam vor sich hin gekeimt haben. Das Neue bricht sich plötzlich in einem atemberaubenden Tempo Bahn, dass einem fast schwindelig wird.
Ich bin dabei kein Illusionist. Es wird immer diejenigen unter uns geben, die angstvoll ins Morgen schauen und von außen kommende, richtungsweisende Impulse brauchen. Genauso gibt es die, die den Krisen ihr Potential entlocken und visionäre Narrative einer lebensdienlichen Zukunft für alle spinnen.
Was uns blüht, wenn wir die Angst überwinden und ins Feld des Vertrauens einsteigen, ist vergleichbar mit einem kollektiven Evolutionssprung. Nutzen wir ihn weise, wird er ein Leuchtfeuer entfachen und uns alle verwandeln. Dieser Sprung hat die Kraft, ein in dieser Größe noch nie da gewesenes globales Bewusstsein zu erzeugen über:
+ die Interdependenzen unserer global-vernetzten Welt. China ist kein ferner Planet, dessen Geschehen uns nichts angeht. Der Alltag der Menschen dort mag sich in Lebenspraktiken und Überzeugungen von unserem unterscheiden; im Kern teilen sie jedoch dieselben Nöte, Freuden, Ängste und Träume wie wir.
+ gesamtgesellschaftliche Lösungen, die mehr Gerechtigkeit, Gleichheit und Fairness produzieren wie das bedingungslose Grundeinkommen oder unbürokratische Finanzhilfen für Selbstständige, Künstler und kleine bis mittelständische Unternehmen. Was bisher nie möglich war, geht heute im Stundentakt. Reibungslos, effizient, mit einer Riesenportion Vertrauen in uns alle.
+ den Wert von Waren, die wir stets und ständig konsumiert haben. Was dient das zehnte Paar Schuhe, das neuste Handy, die coole Sonnenbrille, wenn dessen Produktion dazu führt, dass chinesische Kinder den blauen Himmel nicht sehen können? Corona holt uns die globalen Klimaauswirkungen direkt vor unsere Haustür. Was bisher inständige Appelle, bedrückende Bilder und bewegte Reden von Greta & Co. nicht geschafft haben, erledigt ein mikrokleiner Virus für uns.
+ neue Bildungswege fernab vom Mandat des Frontalunterrichts, in Eigenregie dem eigenen Tempo gemäß, individuell der biologischen Uhr gerecht, international vernetzt auf interaktiven Lernplattformen.
+ die überholspurmäßigen Erholungseffekte von Natur und Mutter Erde, sobald wir die Zügel des Industriekapitalismus locker lassen und uns auf uns selbst und einander besinnen.
+ das Potential und die Kreativität des Einzelnen, sich solidarisch und schaffenskräftig zu zeigen, wenn es darauf ankommt. Wir sind alle bewegt von den tausendfachen Hilfen, die derzeit organisiert, entwickelt und über Nacht uns allen zur Verfügung gestellt werden.
Die Liste ließe sich lang fortsetzen. Sie macht Mut und kreiert Hoffnung für eine neue Welt voller Gemeinsinn, globaler Empathie und Sinn.
Ausschlaggebend für die Strahlkraft dieser neuen, besseren Welt ist unser individueller wie kollektiver Umgang mit der Angst. Diese stellt den lähmenden Faktor dar, wenn sie sich unkontrolliert Bahn bricht. Gelingt es, sie im Zaum zu halten und sich stattdessen in ein Feld von Vertrauen einzuklinken, steht der Utopie nichts mehr im Weg.
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