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Lebensbetrachtungen


Es ist morgens um 10Uhr, ich sitze im Gartenhaus, noch eingekuschelt im Bett, während ich mit dem Kaffee in der Hand in den Garten schaue. Meisen haben sich schon am Fenster vorbei stibitzt. Amseln grüßten zum Morgen und so sitze ich wohlig im Warmen, während der Winterregen auf’s Dach prasselt und mich mit seinem sachten Schlag belebt.

Ich genieße den neuen Tag - was er wohl bringt? Wenn ich auf meinen Kalender schaue, weiß ich das wohl. Aber ungeachtet davon, zwischen den gesetzten Blöcken, was wird geschehen? Welche Begegnungen werde ich haben, welche Erfahrungen sammeln?

Wenn wir uns auf das Nichtgeplante einlassen, uns neugierig dem zuwenden, was unbeschrieben ist, kann sich eine ganz neue Welt auftun. Gedanklich „wissen“ wir meist, was wir erleben werden, haben wir doch unseren Tag durchgeplant. Vermutlich haben wir gar die Zeit im Kopf, zu der wir vorhaben wieder ins Bett zu schlüpfen und den Tag zu beenden.

Wenn ich mich ganz der Planung füge, haben all die Minuten, die bisher noch nicht gefüllt sind, nur den Zweck eines Platzhalters. Sie überbrücken Termin A zu Termin B. Des Weiteren kommt ihnen keine Bedeutung zu. So läuft der Tag ganz nach meinem Konzept, meiner Struktur im Kopf, geschlossen für alles darüber hinaus. Ich zurre das Tagespaket an Terminen, hier bitte fertigschön. 

Mehr ist nicht drin.

Doch so vergehen die Tage und wir verlieren uns in der Annahme, es wären rein zählbare Einheiten, ein Tag, zwei Tage, 365… Das Leben weicht aus ihnen heraus, sie sind die Behälter meiner Pflichten, Erledigungen und Taktungen. So kann ein ganzer Lebenszauber dahinschwinden. 

Nein, da weigere ich mich. Pflanze mich noch bewusster ins Bett, umgreife den Kaffeebecher fester. Mein Blick packt meine Aufmerksamkeit und lenkt sie auf das, was unmittelbar vor mir geschieht. Tropfnasse Kiefernnadeln, ein rotes Baumhaus, hügelige Landschaft, winterliches Blassgrün, verhangener Himmel. Ausatmen. 

Die Termine bleiben, heute und danach. Dazwischen quetschen sich Neugier und Bewunderung. Machen sich breit. Und lassen mich im Hier und Jetzt, mitten im Leben ankommen.

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