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Vom bunten, uncoolen Nichtstun.

Am liebsten mache ich gerade NICHTS. Dabei dämmert mir diese Erkenntnis nur langsam. Tröpfelnd kommt sie in mich hinein, gerade so, als wolle sie mich nicht überrennen. Vielleicht hat sie gedacht: Wenn ich krachend in ihr Leben trete, muss ich ihr auch gleich den Fuß brechen. Oder einen Magen-Darm-Virus bescheren. Lass ich mal lieber, vielleicht rafft sie's auch so.


Zugegebenermaßen: es fällt mir noch schwer, dem Nichtstun einladend die Tür aufzumachen. Eigentlich bin ich viel lieber aktiver. Habe Termine, Aufgaben, Besorgungen und Verabredungen. Das Nichtstun hebe ich mir gewöhnlich für den Urlaub auf. Da darf es sich dann richtig ausbreiten, so mit Luftmatratze und Erdbeerschorle. Aber jetzt, so mitten im Alltag? Vor allem inmitten einer Krise, DER Gelegenheit, die Welt zu retten?! Das will ich ja nicht so recht fassen.



Dabei hat mein Kopf so viele Pläne. Und wie ich stirnrunzelnd lese, alle anderen auch! Was, wenn sie nun schneller sind und man mich nicht mehr braucht, wenn ich aus dem Nichtstun wieder auftauche? Was, wenn dann bereits fossile Energie abgeschafft und erneuerbare vollends Einzug gehalten hat? Was, wenn Unternehmen nachhaltig, ethisch und sinnerfüllt wirtschaften und ich hatte keinen Anteil daran! Was, wenn Menschen dann ihrer inneren Stimme folgen, ihr volles Potential leben und gelernt haben, wertschätzend und authentisch zu kommunizieren und ich war nicht dabei? Wozu dann mein ganzes Tun, mein Lernen, Engagement, meine Visionen und Pläne, wenn es nach dem Nichtstun nichts mehr zu tun gibt!


Da lacht es kräftig in mir. Wie grün doch die Bäume heute sind, herrlich! Wie bildschön die Abendsonne unter die Wolken taucht. Wie wohlig sich meine Atmung anfühlt. Rote Zehen strahlen um die Wette mit einer Sonnenblume. Ich erinnere den Geschmack vom Latte Macchiato auf dem Ökomarkt. Wie bunt doch das Nichts sein kann. Ich staune.


Mein Kopf rast immer noch ein wenig. Gedanken wollen sich überschlagen, egal, in welche Richtung. Hauptsache irgendetwas wird gemacht! Dabei bleibe ich sitzen und aufmerksam für die widerstreitenden Impulse in mir.

Nichtstun ist uncool. Mit Nichtstun kann man nicht angeben. Überhaupt kann man rein gar nichts machen mit dem Nichtstun. Nichts herzeigen, nichts planen, nichts umsetzen, nichts berichten. Rein gar nichts ist damit anzufangen.

Dabei will ich doch beitragen, mitmachen, gestalten, proaktiv sein, die Welt ein kleines bisschen besser machen. Mich ihr verschenken mit meinen Gaben. So wird das aber alles nichts mit dem Nichtstun. So sitze ich nur rum und haue in die Tasten, wissend, dass auch danach noch nichts passieren wird. Höchstens lese ich einige Buchzeilen. Oder schaue in den Himmel.


Es gibt eine Stimme in mir, die sagt zu all dem: schade. Eine weitere gesellt sich dazu. Sie meint: morgen ist auch noch ein Tag. Wenn ich ihr lausche, teilt sie mir noch mehr mit: Wenn dir gerade nach Nichtstun ist, nimm es als wertvolle Anregung, genau gar nichts zu tun. Wer sagt, dass die Dinge nur dann voran gehen, wenn wir aktiv sind? Welche Angst meldet sich in dir, die dich beständig antreibt und im Machen hält? Reifung braucht seine Zeit. Wachstum hat sein eigenes Tempo. Nur, weil draußen Winter ist, bedeutet das nicht, dass nichts geschieht. Das Nichts ist die große Brüterin. Es hält die Welt an, damit diese zu sich selbst kommen kann und neue Kraft schöpft. Im Nichts entsteht ALLES.


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